Unsere Heimat im Spiegel der Presse  
   
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  HVZ vom 12. Dezember 1951

Wie die Effelder Frauen den
Kirchenneubau in Steinkirchen
stören wollten

Als im Jahre 1870 beschlossen wurde, der großen Raumnot in der alten Steinkirchener Kirche durch Verlängerung des Kirchenschiffes abzuhelfen, löste dieser Beschluß, besonders in der Ortschaft Effeld, heftigen Widerspruch aus. Die Effelder hegten den berechtigten und verständlichen Wunsch, daß statt des Erweiterungsbaues in Steinkirchen ein Neubau in Effeld erstellt werde, wo
90 Prozent der Pfarreingesessenen ohne ein Gotteshaus wohnten. Doch die maßgebenden Leute wußten das Steinkirchener Projekt bei den Behörden durchzudrücken, und so wurde 1871 mit dem Abbruch und Ende 1872 mit dem Aufbau begonnen. Die Erregung darüber, die sich noch steigerte, als man sah, daß nicht ein Erweiterungsbau, sondern, abgesehen vom Turm, ein völliger Neubau begonnen wurde, teilte sich auch der Effelder Frauenwelt mit; sie beschloß, die Bauarbeiten irgendwie zu stören. Zu diesem Zweck wurde vereinbart, einen großen Zug nach Steinkircen zu veranstalten, wozu die Frauen durch das Glöckchen im „Kapellchen“ zusammengerufen werden sollten.

An einem Frühlingstag des Jahres 1873 kam der ehrsame Schuhmacher Karl DELOU, der Kirchweg 136 wohnte, und den alten Leuten noch als gewaltiger Baßsänger in Erinnerung ist, zu dem in der Dorfstraße 118 wohnhaften Bauern Peter THISSEN und bat ihn, ihm am nächsten Morgen eine kleine Parzelle für die Kartoffelbestellung zu pflügen. THISSEN, der wegen seines Aussehens im Dorf allgemein „dr schwatte THISSE“ hieß, war ein arger Schalk und stets darauf bedacht, den Mitmenschen Streiche zu spielen. Diesmal sollte DELOU das Opfer sein und zugleich der Zug nach Steinkirchen, für den er sich sehr interessierte, in Szene gesetzt werden. Er sagte zu DELOU, er könne am nächsten Morgen nicht, da er den Frauen versprochen hätte, um 9 Uhr das Glöckchen zu läuten. DELOU erwiderte arglos, das brauche ihn nicht zu hindern, da er das Läuten gerne besorgen wolle, womit denn die Sache als abgemacht galt.

Am anderen Morgen Punkt 9 Uhr bimmelte das Glöckchen. Die Frauen steckten die Köpfe zum Fenster hinaus und fanden sich dann auch nach und nach in der Dorfstraße ein, wo sie sich unter Führung von „GRACHTEN Antonett“ und „JAKELS Güdree“ zum Zuge nach Steinkirchen formierten. Ob es wahr ist, daß einzelne versteckt ein Stocheisen, einen Kochlöffel oder sonstige „Waffen“ mitführten, konnte nicht festgestellt werden. Obwohl einige Teilnehmerinnen wohl aus „Angst vor der eigenen Courage“ umkehrten, war es doch ein stattlicher Zug, der in Steinkirchen zur Überraschung der Dorfbewohner und der Werksleute am Kirchenbau eintraf. Die neue Umfassungsmauer war erst etwa 1 Meter hoch; die Frauen kletterten mehr oder weniger fix auf die Mauer und setzten sich da nieder. Sie trotzten allen guten Zureden und bösen Drohungen des Bauführers (BARTHS – Heinsberg) und gaben die besetzten Mauern nicht frei. Da erschien auf der Bildfläche Heinrich DAENSKENS, der Gemeindevorsteher, ein sehr strenger und von allen gefürchteter Herr. Sofort sprangen die meisten Frauen herunter und nahmen Reißaus, und auch die beherztesten verließen, als er mit seiner Donnerstimme dazwischen fuhr, die Mauer.

Still wie eine geschlagene Truppe kamen die Frauen in kleinen Gruppen nach Effeld zurück und manchen Spott mußten sie noch, besonders vom „schwatten THISSE“, über sich ergehen lassen. Dem Karl DELOU wurde vom „dicken Röl“ (Polizist Roland RAUSCHEN) ein Strafmandat über 3.- Mark wegen groben Unfugs zugestellt, das aber THISSEN für ihn bezahlte. Auch hat der THISSEN seitdem den Acker von DELOU unentgeltlich gepflügt.

 
     
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